INTERVIEW MIT POLENS EHEMALIGEM PREMIERMINISTER WLODZIMIERZ CIMOSZEWICZ ÜBER SCHIEFERGAS

"Nun, das von Ihnen erwähnte Schiefergas fließt noch nicht. Und wenn Sie danach fragen, muß ich sagen, dass ich einen riesige Sensation, einen Skandal in den kommenden Monaten befürchte, weil es sich herausstellen kann, dass das Schiefergas in Polen einfach nicht existiert, und dass   alles auf einem eigenartigen Missverständnis beruhte. Wie Sie sich bestimmt erinnern, hat alles vor 2 oder 3 Jahren mit einer Studie des USGS begonnen, welche der Welt verkündete, dass es in Polen möglicherweise fast sechs Millionen Kubikmeter Schiefergas geben kann. Dann wurde dies vom den polnischen Behörden korrigiert, aber  sie sprachen immer noch von großen Mengen, großen Zahlen. Mein Freund, ein Professor der Geowissenschaften an der Universität Warschau, Krzysztof Szamałek, erzählte mir kürzlich von einem Artikel, den er in einer internationalen  geologischen Fachzeitschrift publiziert hat, welcher beweist, dass die US-Schätzungen auf Daten aus einer polnischen Publikation  basierten, welche sich auf Bohrungen von vor 20, 30 Jahren stützen, die in Polen niedergebracht wurden, und  es ist zwar peinlich das zuzugeben, aber es gab einen maschinellen Fehler, bei dem ein Komma an eine falsche Stelle  bei der Berichterstattung über die Ergebnisse dieser Bohrungen gesetzt wurde. Daher war die Basis für all diese Schätzungen zehnmal größer als  der tatsächliche Wert. Geologen wissen von Anzeichen  organischer Substanzen im Gestein, auf deren Basis sie die Wahrscheinlichkeit, daß beispielsweise Gas oder Öl vorhanden sein könnte oder nicht, bestimmen können. Also, wenn das wahr ist, und es sich herausstellen würde, dass fast kein Schiefergas vorhanden ist, und nur, weil irgendwo manchmal ein wenig davon vorkommt, heißt es nicht, dass die Ressourcen groß sind, und so hätten wir es mit einer riesigen Niederlage zu tun. Und dann würden wir von natürlich weiterhin von ausländischen Importen abhängig."

Ein erstaunliches Interview mit dem von 1996-1997 amtierenden Premierminister Polens Włodzimierz Cimoszewicz über möglicherweise weit kleinere Ressourcen an Gas aus dichten Tongesteinen in Polen, basierend auf einem Fehler in der Kommasetzung der Auswertung alter Explorationsergebnisse. Mit freundlichem Hinweis von Christoph Senz und großer Übersetzungshilfe von Barbara Melion. Erschienen auf Radio ZET (16. Oktober 2012).

Hinweis: Włodzimierz Cimoszewicz spricht zwar von Millionen Kubikmetern, meint aber sicher englische Trillionen Kubikfuß bzw. deutsche Billionen Kubikfuß, da im EIA-Report auf Seite 4, Tabelle 1 "Estimated shale gas technically recoverable resources for select basins in 32 countries, compared to existing reported reserves, production and consumption during 2009" von 5,8 trillion cubic feet proved national gas reserves die Rede ist, und zwar in Bezug auf konventionelles Erdgas. Was Gas aus dichten Tongesteinen anbetrifft, so beläuft sich jene Schätzung auf 187 trillion cubic feet technically recoverable shale gas resources, welche daraufhin vom Polish Geological Institute um 90% nach unten korrigiert wurden (und zwar auf 346-768 Milliarden Kubikmeter, entsprechend bei 1 Kubikmeter = 35.3147 Kubikfuß umgerechnet 12-27 trillion cubic feet, in der Tat etwa nur 10% des EIA-Wertes von 187 trillion cubic feet).

Quelle: Rrrodrigo via Flickr, Creative Commons-Lizenz CC BY-NC 2.0

Link zur deutschen Übersetzung des Interview-Transskripts von Włodzimierz Cimoszewicz auf Radio ZET »

Link zur polnischen Originalfassung des Interview-Transskripts von Włodzimierz Cimoszewicz auf Radio ZET »


weiterführende Links >>

Link zur Studie des "Assessment of Shale Gas and Shale Oil Resources of the Lower Paleozoic Baltic-Podlasie-Lublin Basin in Poland" beim Polish Geological Institute »

Link zur Studie "World Shale Gas Resources: An Initial Assessment of 14 Regions Outside the United States" bei der U.S. Energy Information Agency »

Link zum Artikel "Doch kein „Schiefergas“-Kuwait?" beim ORF »

Link zum Artikel von Marek Strzelecki "Shale Boom in Europe Fades as Polish Wells Come Up Empty" auf Bloomberg vom 26. März 2012 »